A Hero
Asghar Farhadi schafft mit diesem Film ein angespanntes Spagat zwischen realistischem Sozialdrama und Absurdität. Wir folgen Rahim (Amir Jadidi), dem vermeintlichen Helden, und seiner Lebensabschnittsgefährtin, wie sie durch eine iranische Großstadt navigieren. Dies gelingt ohne Schwierigkeiten, jedoch wird der moralische Kompass von Rahim von den zu Wort kommenden Figuren hochgelobt oder massiv infrage gestellt. Der Film beginnt mit der vorübergehenden Entlassung Rahims aus dem Gefängnis und der guten Tat, eine verlorene Handtasche Ihrer Besitzerin zurückzubringen, welche die Erzählung ins Rollen bringt. Denn Rahim hat Schulden und die vorgeblich tugendhafte Tat in Kontrast zu seiner Gefängnisstrafe wird nun so medial aufgeblasen, dass der Gläubiger unter Druck gerät. Dieser gibt dem öffentlich geforderten Teilerlass der Schulden jedoch nicht bei und verweist auf die Selbstverständlichkeit von Rahims Handeln. Da Rahim eine passive Rolle in der Geschichte einnimmt und sowohl als Beispiel für die Wirkung der Rehabilitationsmaßnahmen des iranischen Gefängnissystems dienen soll, als auch ein Opfer seiner Zwangslage porträtiert, entsteht ein bemitleidenswertes Bild von ihm, welches nur durch das Stocken seines moralischen Kompasses ins Wanken gerät. Dies zeichnet durch temporäres Verlieren der Contenance und Unehrlichkeit unangenehme Striche in das Bild des Musterinsassen. Eine gute Tat erlöst einen Menschen nicht von seinen Lastern, und zwar auch nicht, wenn die Öffentlichkeit dies erwünscht und sich nach einem Helden sehnt.
Gesehen im GRAND THÉÂTRE LUMIÈRE während Cannes2021.